Gliederung
Der Marsch der Gefangenen
Im Februar 1945 wurde die Haftanstalt Görlitz „evakuiert“, d. h. die noch verbliebenen Gefangenen wurden in zwei Transporten Richtung Westen verbracht. Der Grund wird wohl die heranrückende Rote Armee gewesen sein. Die zuständige Oberwärterin Frau Alzog hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon zusammen mit einem SA-Mann abgesetzt. Der erste Transport oder Marsch – die Häftlinge mussten zu Fuß gehen – ging am 14. oder 15. Februar. Ruth Schlesinger sollte schon auf diesem Transport verlegt werden, doch sie wurde wohl „vergessen“. Es muss am 16. Februar frühmorgens gewesen sein – ganz genau weiß sie es heute nicht mehr - als sie schließlich mit etwa 60 weiteren Häftlingen auf den Marsch Richtung Westen geschickt wurde. Darunter war auch Gertrud Jacob, die Frau von Willi Jacob. Zu dieser Zeit befanden sich keine Juden mehr unter den Häftlingen, da man diese größtenteils schon deportiert hatte. Das Ziel war das Zuchthaus in Waldheim. Vom Postplatz ging es – bewacht von Gefängnispersonal und in Reihe laufend - über die Jacobstraße und Zittauer Straße Richtung Süden. Die Häftlingskolonne durchquerte Hagenwerder und Tauchritz. Von dort weiter nach Herrnhut, wo die Häftlinge in einer Schule übernachteten. Am nächsten Tag wurden die Gefangenen weiter in Richtung Bautzen und Bischofswerda getrieben. Wer aus Entkräftung und vor Kälte nicht mehr weiter konnte, wurde von der Wachmannschaft erschlagen. Wie viele Häftlinge auf diese Weise ihr Leben verloren weiß Ruth Pilz nicht mehr. Unterwegs erfuhr sie, dass sie evtl. entlassen werden sollte, doch dies erwies sich nicht als wahr. Einer der Wachleute, ein Görlitzer, gab ihr heimlich etwas Geld und eine Brief für seine Frau. Vielleicht war er es, der ihr die Flucht ermöglicht hatte.